Schnitzen ist wie Trommeln
Johanna Hofleitner
Die Presse „Schaufenster“, Wien, 19.05.2009
Er sieht nicht nur wie ein Rockmusiker aus, er denkt wohl auch ein bisschen so: Bildhauer Fabian Fink liebt Holz und Regelverstöße.
Sie sind ziemlich konkret und manchmal sogar richtig handfest – die Skulpturen des jungen Salzburgers Fabian Fink. Das mag damit zu tun haben, dass die menschliche Figur eine große Rolle spielt und dass sie viel von der Geschichte des Mediums Skulptur in sich tragen. Und so alle möglichen Facetten des Dreidimensionalen durchspielen.
Da schwebt etwa eine mächtig-rundliche Figur in leicht verdrehter Haltung, lang hingestreckt, blau angemalt und aufgebockt auf zwei Stützen als „Fluss“ über Wasser. Dass die Figur mit drei Meter Länge gewaltig überdimensioniert ist, tut ihrer Eindrücklichkeit keinen Abbruch. Wie ein Monster oder Koloss wirkt sie trotzdem nicht. Die Größe braucht es vielmehr, um die Distanz wettzumachen, die durch die Positionierung fernab des Ufers entstanden ist. Eine andere Arbeit – die grün lackierte „Froschfrau“ – kommt mit ihren überlangen Gliedmaßen wie eine ägyptische Statue daher. Warum diese Längen? „Das Holz war vorhanden. Danach muss man sich richten“, lautet die verblüffend einfache Antwort.
Flach wie eine Münze. Die beiden ganzfigurigen Schauspielerporträts von Philipp Hochmair und Petra Morzé wiederum, die Fabian Fink 2008 für die „Junge Porträtgalerie“ des Burgtheaters geschaffen hat, rufen mit ihrer zwischen Gips und Elfenbein angesiedelten Oberflächenfärbung Erinnerungen an historische Wandreliefs wach, so wie sie auf ihren Gesimsen im neubarocken Pausenfoyer des Burgtheaters posieren. Die Brüche liegen da im Detail und den kleinen Regelverstößen wider die Tradition – etwa im modischen, kniekurzen Kleid, das Petra Morzé trägt, oder in der brutal eckigen Schulter und den Disproportionen, mit denen Fink den Hochmair’schen Akt versehen hat. Da überrascht es denn nicht, dass der junge Bildhauer in einer ersten Fassung auch das Repertoire der klassischen Kleinplastik durchgespielt hat, um die aus seiner Sicht „schwer fassbare, zurückhaltende“ Morzé „bildhafter, malerischer und zweidimensional“ darzustellen: „Flach wie eine Münze!“
Einzig das Material sollte zeitgenössisch sein: durch und durch transparentes Kunstharz. „Da sieht man hin und sieht die Wand dahinter“, beschreibt Fink, den das Unsichtbare immer wieder auch als künstlerische Kategorie fasziniert, den Eindruck. Der Spagat zwischen klassischer Handwerklichkeit und Regelverstoß ist typisch für Fink, der sich seit seinem 14. Lebensjahr mit Bildhauerei beschäftigt.
„Die menschliche Figur war für mich immer wichtig“, sagt er. „Schon als Kind habe ich gerne Männchen gezeichnet, aber das ist ja naheliegend!“ An der Akademie der bildenden Künste lernte er mit dem an der Moderne geschulten Franz X. Ölzant (Jahrgang 1934) und der postmodernen englischen Sound-, Installations- und Medienkünstlerin Angela Bulloch (Jahrgang 1966) zudem zwei Lehrerpersönlichkeiten kennen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
„Ölzant hat uns vor allem das Formale nähergebracht. Bei den Inhalten ließ er hingegen jede Freiheit. Manche Kollegen haben Videos gemacht. Ich habe damals eine Zeit lang gemalt. Es war jedenfalls verpönt, dasselbe wie der Professor zu machen“, erinnert er sich. Und Bulloch? „Bei ihr war das Spannende, dass sie nie Antworten gegeben hat. Am Ende ist immer die Frage übrig geblieben.“ Die ist nun auch zum fixen Bestandteil seiner Arbeit geworden.
Holz riecht gut. „Es ist ein Kennzeichen meiner Arbeit, dass es viele Experimente gibt“, sagt er. „Ich finde es spannend, nah am Scheitern zu bleiben. Die Bewältigung der Realität – also: ob ein Fuß wie ein Fuß aussieht – interessiert mich zunehmend weniger. Umso mehr dagegen das Unsichtbare – Dinge, die aus dem Zeichensystem herausfallen und keine Entsprechung finden.“ Immer wieder kommen auch andere Materialien und Techniken ins Spiel wie Plastilin, Gips, Gussmaterialien, Kunststoffe wie Polystyrol. Mehr und mehr reizt ihn die Bronze, die er aber unbedingt lackieren würde. Finks liebstes Material ist jedoch Holz. „Ich habe den Anspruch, dass es mir selbst Spaß machen muss. Und Holz ist einfach so schön! Es riecht sehr gut, staubt nicht und macht weder trockene noch fette Hände“, sagt er. „Außerdem ist das Schnitzen eine schöne, meditative Tätigkeit, die in ihrer Rhythmik teilweise in Richtung Trommeln geht.“