Dekoration, oder so …
Ruth Weisman
Fabian Fink bezeichnet sich selbst als Bildhauer und seine Arbeiten als Skulpturen. Viele Merkmale dieser Begriffe sind in sehr klassischer Form in Finks Arbeiten vorhanden. Obgleich seine Arbeit nicht primär um diese Fragen kreist, gibt es das Suchen nach Möglichkeiten des Handelns inner- und außerhalb dieser Felder.
„5 Parts chain“ lässt auf den ersten Blick offen, was es ist. Das Teil erinnert an ein Bettelarmband – ein Schmuck-Genre, das in der Mode der letzten Jahre als ästhetisches Konzept verstärkt zu beobachten ist. Normalerweise leicht und verspielt, elegant und kitschig, hat es ursprünglich die Funktion der symbolisch-ästhetischen Erinnerung an wichtige Stationen im Leben oder war einfach zum Sammeln von Glücksbringern gedacht. Seine Struktur ist vom Prinzip her endlos, da sich theoretisch beliebig viele Kettenglieder mit Anhängern aneinanderreihen lassen. Die Materialen sind üblicherweise typische Schmuckmaterialen, von billig bis wertvoll. Fabian Finks „5 Parts chain“ ist aus schwerem, grauem Gips, glatt, unlackiert, beinah schmutzig wirkend, gleichzeitig aber präzise geformt, klar, an abstrahierte Comicfiguren oder romantischen Schmuck erinnernde, einfach gehaltene komplexe Formen, poliert, schick und leicht anmutend. Die visuelle Sprache leichter Designobjekte ist unübersehbar. Die Anhänger – Hund, Katze, Kopf, Wolke, Dämon – sowie die Kette werden von Fabian Fink in verschiedenen Zusammenhängen oder auch einzeln präsentiert. Dieses Konzept der Kette, deren Anhänger beliebig kombinierbar sind und die selbst auch zum anderweitig verwendbaren Stück wird, zieht sich durch die meisten Arbeiten Finks, sowohl konkret als auch metaphorisch: In Ausstellungssituationen fungieren alle Skulpturen und der Raum als Möglichkeiten des Spiels mit Kombinationen auf gleicher Ebene. Ein Bestehen auf die totale Integrität eines Werkes gibt es nicht.
Viele von Finks Arbeiten stehen an diesen Kreuzungen von Koordinaten, die er verschiebt und neu zusammenbaut. Diese Koordinaten sind einerseits gewohnte Zusammenhänge zwischen Form und Material, Funktionalität und Fetisch-Objekt, Lieblichkeit und Grobheit, leicht und schwer, Gewalt und Harmlosigkeit, Kitsch und Kunst, Galerieraum und Ausstellungsstück, andererseits konkrete Verbindungsglieder für Konstruktionen, wie die Ketten-Arbeiten, „Russian Diamond“, „Lithuanian Diamond“ die kleinen, bunten Verbindungsglieder zu dieser Arbeit, die zwischen Funktion und Objekt oszillieren. Es ist ein Spiel, das sich aber ernst nimmt und keine vordergründige Ironie betreibt. Die Kitschecke wird bedient, aber gleich wieder umgeleitet, indem sie auf ihre Möglichkeiten im Kunstraum hin überprüft wird. Brüche ergeben sich nicht nur in Form, Material und Verarbeitung, sondern eben auch in der Art wie Fabian Fink seine Arbeiten in Ausstellungssituationen präsentiert: lapidar dem Raum eingepasst, so dass man manchmal nicht sicher ist, was Ausstellungsstück und was Teil des Raumes ist. Oft werden Glühbirnen, Risse in der Wand oder Löcher im Boden zum Objekt oder finden sich in konkreten Skulpturen wieder, z.B. in „Cool and Beautiful“, einem Stück extra hergestellter gebrochener Gipswand, das auf die (Galerie)Wand montiert wird. Motor dieser Arbeiten ist die Auseinandersetzung mit den Grenzen von Gegenständlichkeit und Abstraktion, Gebrauchs- und Kunstobjekt, Spiel und Ernst, sowie mit der Möglichkeit von „Skulptur“ als Begriff, Objekt, Gedanke und Prozess. In den expliziten „Deko“-Arbeiten wie „5 parts chain“, „Love-Hate-Chain“ oder auch den Tischskulpturen, die als Auftragsarbeiten entstanden sind, werden diese Ambivalenzen in einen Waren- und Produktionsästhetischen Diskurs gestellt, der sich auch in Richtung Fetischisierung/Konsumismus streckt. Die Teile werden manchmal in Serie gegossen bzw. sind von ihrer Machart her daraufhin angelegt. Wie einige KünstlerInnen seiner Generation steht Fabian Fink damit in einem Post-Cross-Verhältnis zu Minimalismus, Pop-Art und Konzeptueller Kunst, in einer Zeit, in der die Verquickung von Design und Kunst sowie High-Art und Low-Art Teil des Konsum- und Lifestyle-Mainstream ist. Diesen Mainstream zu analysieren und eine bestimmte Lust an so manchen Aspekten daran aber nicht zu negieren, machen sich die KünstlerInnen zunutze. Das Wissen darüber ist die Kraft, nicht in die Gefälligkeit abzurutschen. Alltags- und Konsumkultur werden gleichzeitig zelebriert und in Frage gestellt. Arbeiten wie „Froschfrau“ oder „The dark Knight“ zeigen klar die Verankerung in Pop- und Blockbusterkultur und erinnern an die Konstruktion ihrer Mythen, die am Ende vor allem als Merchandising weiterleben. Durch die für Fink charakteristischen Verschiebungstechniken und Gegensatzspiele wird an „Froschfrau“ nicht nur eine vorgebliche Plastikfigurine erst auf den zweiten Blick als Handgeschnitzte Holzskulptur und Einzelstück erkennbar, sondern es wird auch eine eigene Version von Popkultur erzählt.
Konstruktion, Verbindung und Verschiebung als Prinzip verhandelt Fabian Fink auch in seiner Beschäftigung mit abstrakten Raumstrukturen. Eine systematische Bearbeitung von architektonischen und skulpturalen Möglichkeiten zwischen Stabilität und Instabilität werden mit poppigen Farben, dem Spiel mit „schleissiger“ Verarbeitung sowie industriellen und Alltags Materialien (Resin, Kabel, Zahnstocher, Styropor) kombiniert und gebaut, gegossen oder geformt. Diese Schiene ist formal abstrakt, lässt aber nicht vollständig die lapidare Gebrauchsästhetik außer Acht, die viele von Finks Arbeiten auszeichnet, nicht zuletzt um einer künstlerischen „Überhöhung“ der Stücke durch handwerkliche Meisterschaft zu entrinnen. Verweise auf Gegenständlichkeit und/oder Gebrauch ergeben sich in einigen Arbeiten zwischen Skulptur und Titel, wie bei „easy travel“, „Ash-tray (Rim-chain)“, oder „the eternal electrical tower“. Die Ästhetik der Massenproduktion, die durch Material und standardisierte Formen entsteht, verstärkt sich durch die Sichtbarkeit des Herstellungsprozesses: Der Künstler schneidet die durch den Guss überschüssigen Ränder nicht ab, poliert die Stücke nicht vollständig oder lässt offen, wie bei „the eternal electrical tower“ oder „The dark Knight“, ob es sich um Produktionsabfall oder um gestaltete Form handelt. Dieses Spiel mit Kategorien führt Fink auf konzeptueller Ebene in der „ you did it...“ Serie weiter. Hier wird die konzeptuelle Erkenntnis deutlich, dass Kunst machen auch oder vor allem eine Arbeit des Benennens und des in-einen-Kunstkontext-stellens ist: Fabian Fink sucht vorhandene Formen, benennet diese, und eignet sie als eigene künstlerische Arbeit an, nicht ohne aber den Hinweis auf die soziale Autorschaft im Titel einzubringen. Finks Ansatz des Integrierens und Kombinierens im Ausstellungsraum und die Frage, welche Parameter welche Künste oder Alltagsgegenstände überhaupt haben, werden so außerhalb des Galerieraums weitergeführt. Nicht zuletzt versucht diese Praxis einem Kult der hierarchisch motivierten Erfurcht vor Kunst und Genie den Wind dadurch aus den Segeln zu nehmen, dass sie auch in jenen Details ist, wo man sie zuerst keine bewussten Handlungen vermutet.